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Nachhaltige Mobilitätskonzepte in Gewerbegebieten planen und umsetzen 

„Wir müssen womöglich zum Teil auch dazu gezwungen werden, unsere Mobilität neu zu organisieren.“
Verkehrsplaner Markus Werhan, Vertec GmbH, Koblenz

Warum Kommunikation eine zentrale Rolle spielt

Den Autoverkehr reduzieren und alternative, umweltfreundliche Mobilitätsangebote schaffen – das ist ein zentraler Punkt für nachhaltige Gewerbegebiete. Bei der Entwicklung und Umsetzung neuer Mobilitätskonzepte geht das Koblenzer Ingenieurbüro für Verkehrsplanung und -Technik, kurz Vertec, in vier Schritten vor. Am Anfang stehen bei den Plangrundlagen, welche Nutzungen vorgesehen sind und ob es möglicherweise schon Erschließungen gibt, wie Geschäftsführer Markus Werhan erklärt. Im zweiten Teil folgt eine Analyse auf Basis von Verkehrsdaten und ein Modellaufbau. Anschließend erstellt man auf Basis der Modelldaten Prognosen, die unter anderem die Leistungsfähigkeit und mögliche Lärmbelastung umfassen, bevor ist schließlich in die Entwicklung der Maßnahmen geht. Egal wie groß das zu erschließende Gebiet ist – Kommunikation und Beteiligung spielen eine zentrale Rolle, sowohl mit Blick auf die politischen Gremien, Fachbehörden und Projektbeteiligten wie auch auf die Öffentlichkeit. Denn wenn erst einmal eine negative Stimmung gegen das Projekt entstanden sei, könne diese kaum noch gedreht werden. Eine attraktive Anbindung an den Öffentlichen-Personen-Nahverkehr sei dabei sehr wichtig, um den Pkw-Verkehr zu reduzieren. „Wenn ich einen Standort auf der grünen Wiese habe, ist das allerdings nur schwer möglich“, sagt Werhahn.

Stellplätze verknappen, attraktive Alternativen schaffen

„Die Verkehrswende beginnt im Quartier“, sagt Sophie Stigliano von Urban Standards aus München. Das Unternehmen verfügt über rund 15 Jahre Expertise im Feld der urbanen Mobilität. Man müsse dabei weg von einer statischen Verwaltung von Parkraum hin zu einem dynamischen Management von Flächen, Mobilitäten und Services. Stigliano spricht sich dabei für einen Push-and-Pull-Ansatz aus. Das bedeute zum einen, dass man bewusst weniger Stellplätze zur Verfügung stelle, aber auf der anderen Seite attraktive Alternative mit nach Bedarf kombinierbaren Mobilitätspaketen schaffe. Das können zum Beispiel Sharing-Stationen für E-Autos, E-Bikes oder Lastenfahrräder sein, aber auch rabattierte ÖPNV-Monatstickets für die Beschäftigten. Gebucht werden können diese Angebote alle aus einer Hand über eine digitale Plattform, um dem Umstieg möglichst einfach zu machen. Urban Standards analysiert bei der Entwicklung von Konzepten die verschiedenen Nutzergruppen und ihre unterschiedlichen Mobilitätsbedürfnisse. „Es geht nicht darum, das Auto komplett zu vermeiden“, sagt sie. „Es wird immer die Leute geben, die mit dem Auto pendeln, weil es keine guten Alternativen gibt. Es geht darum, die Leute zu verlagern, die man verkehrstechnisch verlagern kann.“ Bei Gewerbegebieten sollte das Thema Mobilität jedoch immer schon bei der Entwicklung mitgedacht werden.

Die Mobilitätszentrale: Weit mehr als ein Parkhaus

Wie Mobilitätskonzepte in zukunftsfähigen Gewerbegebieten konkret in der Praxis aussehen können, zeigt das Projekt „Stöcken 17“ in Solingen. Dort habe man bewusst eine Trendwende eingeleitet, erklärt Achim Willke, Prokurist bei der Wirtschaftsförderung Solingen. Das bedeute weg von einer starken Kfz-Orientierung hin zu einer stadtverträglichen Integration in das Verkehrssystem Solingens mit möglichst geringen Kfz-Zunahmen und der Förderung alternativer Antriebsformen. Deutlich wurde bei der Analyse, welche enorme Fläche Kfz-Stellplätze beansprucht hätten. Beim Baugenehmigungsverfahren hätte man für etwa 500 Stellplätze rund 12.500 qm benötigt. Mit der Errichtung eines Mobilitätshubs konnte die Flächeninanspruchnahme auf maximal 3.000 qm reduziert werden. Dabei wurden die Stellplätze zu 90 Prozent konzentriert in einem Quartiers-Parkhaus angesiedelt. Damit entsteht im übrigen Gebiet ein weitgehend parkfreier, attraktiver öffentlicher Raum. Im Parkhaus sind zudem Angebote für E-Mobilität, Sharing-Angebote und weitere Mobilitätsservices angesiedelt. Zudem wurden Zufahrt- und Abstellmöglichkeiten für Fahrräder und die Nahverkehrsanbindung des Gewerbegebiets verbessert. 

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Autor: Stephan Köhnlein