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Revitalisierung und innovative Flächenkonzepte 

Der Fokus beim Thema Nachhaltigkeit liegt auf Gebäuden. Aber wer das Thema geschlossen denkt, fängt beim Boden an. Ich kann das nachhaltigste Gebäude bauen, aber wenn ich dafür zehn Hektar Wald rode, ist das nicht nachhaltig.
Raphael Thießen, Deutscher Brownfield-Verband (DEBV), Gütersloh

Brownfield: Brachflächen zu neuem Leben erwecken

Pro Tag werden in Deutschland durch Siedlung und Verkehr rund 56 Hektar Neufläche verbraucht. Das entspricht pro Jahr der Größe von Düsseldorf. Die Bundesrepublik hat sich verpflichtet, die Neuversiegelung drastisch zu reduzieren und strebt bis 2050 das Flächenverbrauchsziel Netto-Null an. Trotzdem hält Raphael Thießen vom Deutschen Brownfield-Verband (DEBV) eine angebliche Flächenknappheit für einen Mythos. Schätzungsweise 150.000 Hektar Brachflächen stünden derzeit zur Verfügung, was etwa der Hälfte des Saarlands entspricht. Ein Brownfield ist ein Grundstück oder eine Industriebrache, dessen Erweiterung, Sanierung oder Wiederverwendung durch das (potenzielle) Vorhandensein eines gefährlichen Stoffes erschwert werden kann.
Der DEBV hat sich zum Ziel gesetzt, dieses Thema „aus der Schmuddelecke zu holen“, wie Thießen sagt. Zunächst gehe es jedoch darum, solche Flächen überhaupt zu identifizieren; denn oft sind diese nicht als Brownfield erfasst. Dafür entwickelt der DEBV in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut und dem Geodienstleistungsanbieter Spacedatists ein KI-gestütztes Brownfield-Kataster, bei dem anhand von Luftbildern potenzielle Brachflächen erfasst werden können. Dies könne auch Kommunen bei einer effektiven Stadtentwicklung unterstützen.

Flächennutzung maximieren, Bodenversiegelung minimieren

Die Logistikbranche leidet insbesondere in attraktiven Ballungsräumen unter massivem Flächenmangel. Dort in die Höhe zu bauen, gilt als ein Lösungsansatz. Doch eine große Immobilie lässt sich nicht ohne Weiteres aufstocken, wie André Otto vom Unternehmen Four Parx erklärt. Four Parx habe in diesem Zusammenhang jedoch das innovative Projekt Mach2 in Hamburg konzipiert: Dabei wurde auf einem früher von einem Getränkehersteller genutzten Brownfield die laut Otto erste doppelstöckige Logistikimmobilie ihrer Art in Europa mit 124.000 Quadratmetern Gesamtmietfläche entwickelt. Die obere und untere Ebene der Halle weisen demnach einen identischen Grundriss auf, was zu einer Verdoppelung der Nutzfläche im Vergleich zu einer eingeschossigen Bauweise führt und so der Versiegelung wertvoller Grundstücksressourcen entgegenwirkt. Allerdings war der Bau nicht ohne Hürden, etwa mit einem aufwendigen Genehmigungsverfahren, der Bodenbeschaffenheit sowie gut zwei Dutzend Kampfmittelverdachtspunkten. Doch der Aufwand hat sich gelohnt. Bereits sechs Monate vor Fertigstellung im September 2022 war das 240 Millionen Euro teure Objekt vollständig vermietet. Für seine nachhaltige Bauweise erhielt Mach2 im Breeam-Bewertungssystem das Zertifikat „exzellent“. Zudem wurde es mit dem Brownfield Award Sonderpreis für innovative Konzepte ausgezeichnet.

Babenhausen: Wie ein neuer Kreativ-, Wohn- und Gewerberaum entsteht

Ab dem Ende des 19. Jahrhunderts war Babenhausen bei Darmstadt ein bedeutender Garnisonsstandort. Aus dieser Zeit stammt auch die Kasernenanlage, die nach dem Zweiten Weltkrieg von den US-Streitkräften genutzt wurde. Nach der Rückgabe an die Bundesrepublik Deutschland lag das Gelände lange brach, sollte zwischenzeitlich auch als Erstaufnahmeeinrichtung für syrische Flüchtlinge dienen. Inzwischen entsteht dort auf rund 60 Hektar Konversionsfläche ein neuer Stadtteil. Unter dem Projektnamen „Kaisergärten“ werde dort sowohl Kreativ-, als auch Wohn- und Gewerberaum geschaffen, erklärt Markus Aumann, Geschäftsführer des Bauunternehmens Aumann GmbH aus Babenhausen. Allerdings gelte es, eine Reihe von Problemen zu lösen, die die Planung langwierig und durch Auflagen auch teuer machten. Vor allem die Anbindung und Anforderungen im Zusammenhang mit dem Verkehr spielten hier eine Rolle. Gewerbeansiedlungen sind dabei ein wichtiges Standbein für die Entwicklung der Stadt. In den Bestandsgebäuden haben sich bereits einige Firmen angesiedelt. Darüber hinaus stehen diverse Flächen für Neubauten zur Verfügung. Alle Grundstücke des Gewerbequartiers werden mit Wasser-, Fernwärme und Glasfaseranschlüssen versorgt. Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besteht die Möglichkeit, sich in benachbartem Wohnquartier niederzulassen.

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Autor: Stephan Köhnlein