Ausbildung
Gute Ausbildungsbedingungen müssen gefördert werden
Engagement der Ausbildungsunternehmen in der beruflichen Bildung weiterhin groß
Die IHK-Aus- und Weiterbildungsumfrage erfasst jährlich den Stand des Ausbildungsmarktes und der höheren Berufsbildung, um geeignete Maßnahmen für die Azubi- und Fachkräftegewinnung abzuleiten und der Politik aufzuzeigen, welche Themen die Ausbildungsunternehmen beschäftigen. Die diesjährige Befragung, an der 540 Unternehmen aus Rheinland-Pfalz teilnahmen, lief vom 8. bis zum 26. Mai 2023.
Die Besetzung aller ausgeschriebenen Ausbildungsplätze ist für die Ausbildungsunternehmen eine immer größere Herausforderung. Ein Drittel der Unternehmen konnte ausgeschriebene Ausbildungsstellen nicht besetzen, weil sich keine jungen Menschen auf die Stellen bewarben. Rund 72 Prozent der befragten Unternehmen gaben zudem an, dass sie angebotene Ausbildungsplätze aufgrund fehlender geeigneter Bewerbungen nicht besetzen konnten. Die Anschlussfähigkeit der Schulabgänger muss daher weiter gestärkt werden.
Die Umfrage zeigte einmal mehr, dass die Ausbildungsunternehmen sich auf vielfältige Weise einbringen, um neue Auszubildende für die berufliche Bildung zu begeistern. 80 Prozent der Unternehmen engagieren sich, um jungen Menschen betriebliche Einblicke und Praxiserfahrungen zu ermöglichen. Zwei Drittel der Unternehmen haben hierfür die Zahl der Schülerpraktika erhöht und 43 Prozent der Unternehmen bieten betriebliche Einblicke im Rahmen von Tagen der offenen Tür und des Girls‘ und Boys‘ Days. Um den Ausbildungsbetrieb für junge Menschen attraktiver zu gestalten, haben zwei Drittel der Unternehmen flachere Hierarchien etabliert, die Hälfte der Ausbildungsbetriebe setzt moderne IT ein und 45 Prozent der Unternehmen bieten Auszubildenden finanzielle oder materielle Anreize. Ein Viertel der befragten Unternehmen hat neue Lernkonzepte etabliert oder erweitert das Ausbildungsportfolio mit Azubi-Projekten zu Themen wie Nachhaltigkeit.
Viele Unternehmen unterstützen auch lernschwächere Auszubildende: 40 Prozent der Unternehmen bieten lernschwächeren Schülern eigene Nachhilfe im Unternehmen, ein Drittel der Unternehmen nutzt ausbildungsbegleitende Unterstützungsmaßnahmen der Agentur für Arbeit und weitere 40 Prozent geben an, grundsätzlich Lernschwächeren eine Ausbildungschance zu bieten.
Was die Politik tun kann
Das Engagement der Ausbildungsunternehmen ist ein zentraler Pfeiler der dualen Ausbildung. Die Verantwortung für die Schaffung hervorragender und ansprechender Rahmenbedingungen in der Ausbildung liegt aber vor allem auch bei der Politik. Damit sich nicht immer mehr junge Menschen für ein Studium anstelle einer Ausbildung entscheiden, sollten die Rahmenbedingungen für Studierende und Auszubildende gleichermaßen vorteilhaft sein. Eine Ungleichbehandlung von Auszubildenden gegenüber Studierenden muss daher vermieden werden. Aus diesem Grunde sollte sich das Land Rheinland-Pfalz gegenüber dem Bund und den Ländern dafür stark machen, dass auch Auszubildende bundesweit ein vergünstigtes Deutschland-Ticket erhalten können. Denn ein ermäßigtes Deutschland-Ticket würde die Auszubildenden nicht nur in ihrer klimafreundlichen Mobilität fördern, sondern ihnen auch mehr Flexibilität bei der Auswahl ihres Wunschausbildungsunternehmens ermöglichen.
In Rheinland-Pfalz sind derzeit mehr unbesetzte Ausbildungsstellen als unversorgte Bewerber für eine Ausbildung gemeldet. Die von der Bundesregierung beschlossene Ausbildungsgarantie ist jedoch kein zielführendes Instrument. Diese besagt, dass jene, die keinen Ausbildungsplatz finden und in einer Region leben, die als an Ausbildungsplätzen erheblich unterversorgt gilt, ab Sommer 2024 das Recht auf eine außerbetriebliche Ausbildung erhalten sollen. Die scheinbare Garantie suggeriert jungen Menschen das Recht auf eine Ausbildung im Wunschberuf, unabhängig von Eignung oder Engagement. Hier sind Enttäuschung und Misserfolg vorprogrammiert. Zudem fördert sie Parallelstrukturen zu unserem bedarfs- und marktgerechten System der dualen Berufsausbildung.
Mit der „Chancengarantie“ in Rheinland-Pfalz besteht bereits ein sinnvolles Instrument, dass unversorgten Jugendlichen mindestens ein Angebot für einen Ausbildungsplatz garantiert. Anstelle der Ausbildungsgarantie sollte sich die rheinland-pfälzische Landesregierung für eine zielgerichtete Berufsorientierung in allen Schulen einsetzen, Schülerpraktika sowie die Anschlussfähigkeit der Schulabgänger fördern und Schullaufbahn verlängernde Angebote einstellen.
Auch die Einführung eines ermäßigten Deutschland-Tickets für Auszubildende, wie Bayern es bereits beschlossen hat, würde die Attraktivität der dualen Ausbildung stärken. Es ist zudem eine Frage der Chancengleichheit. Denn sowohl Auszubildende als auch Studierende gehören zu den Personen, die verstärkt von Inflation und Preissteigerungen betroffen sind. Das Vorhaben der Länder, ein ermäßigtes Deutschland-Ticket für Studierende zum Preis von 29,40 Euro monatlich anzubieten, muss daher unbedingt auch auf Auszubildende ausgeweitet werden.
Neben guten Ausbildungsbedingungen muss auch das Prüferehrenamt mehr politische Anerkennung bekommen. Denn ohne ehrenamtliche Prüferinnen und Prüfer können keine Abschlussprüfungen stattfinden. Somit leisten die Prüferinnen und Prüfer einen wichtigen Beitrag zur Fachkräftesicherung. Es darf nicht sein, dass Prüferinnen und Prüfer Urlaub nehmen müssen, um die Abschlussprüfungen des Fachkräftenachwuchses abnehmen zu können. Die Politik sollte daher verstärkt für das Prüferehrenamt werben und die gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung dieses Engagements hervorheben.
Was die IHKs tun
Die IHKs in Rheinland-Pfalz setzen sich aktiv für die Förderung und Erhaltung guter Rahmenbedingungen in der Ausbildung und Weiterbildung ein. Neben der Organisation der Prüfungen, der Erteilung der Ausbildungserlaubnis und der Überwachung der betrieblichen Ausbildung, zeigen sie vor Ort auf Messen und in Schulen und mit ihren Kampagnen der beruflichen Bildung – Durchstarter (www.durchstarter.de) und Aufsteiger (www.aufsteiger-ihk.de) – wie junge Menschen mit beruflicher Bildung in ihre Karriere starten können. Im direkten Austausch mit den Jugendlichen und über die zielgruppenspezifischen Social-Media-Kanäle erklären die Beraterinnen und Berater der IHKs, dass der Weg Ausbildung plus Weiterbildung vielfältige Karrieremöglichkeiten in Führungspositionen, aber auch in eine Selbstständigkeit ermöglicht.
Die rheinland-pfälzischen IHKs bieten schwerpunktmäßig Bildungsprojekte, die den jungen Menschen ökonomisches Wissen und digitale Kompetenzen vermitteln, da diese Kenntnisse unerlässlich für das Berufsleben und den erfolgreichen Einstieg in eine Ausbildung sind. Projekte wie beispielsweise startup@school vermitteln wichtiges wirtschaftliches Grundlagenwissen und zeigen den Jugendlichen, dass auch eine Unternehmensgründung ein spannender Karriereweg ist.
Die IHK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz fördert verstärkt praxisorientierte Angebote der Berufsorientierung, da Schülerinnen und Schüler so Berufe ausprobieren und realistische Vorstellungen von den berufstypischen Tätigkeiten erlangen können. Denn durch eine erfolgreiche Berufsorientierung kann das Risiko eines Ausbildungsabbruchs vermieden werden.