Ausbildung
Dringender Handlungsbedarf: Fachkräftemangel trotz positiver Entwicklung am Ausbildungsmarkt
Der direkte Vergleich zum Studium zeigt die gestiegene Attraktivität der dualen Ausbildung: In Rheinland-Pfalz gab es 2022 und 2023 wieder mehr neue Auszubildende als Erstsemester. Zudem zeichnet sich auch dieses Jahr erneut eine leichte Zunahme eingegangener Ausbildungsverhältnisse im Vergleich zum Vorjahr ab. Ein Trend, der sich laut Daten des Statistischen Landesamtes weiter fortsetzt. Trotz dieser positiven Entwicklung am Ausbildungsmarkt sind effizientere Rahmenbedingungen für die Rekrutierung von Auszubildenden und Fachkräften notwendiger denn je, weil weiterhin viele Ausbildungsplätze und Stellen unbesetzt bleiben. Der neue Ministerpräsident, Alexander Schweitzer, sieht sich zu seinem Amtsantritt mit einer Aufgabe konfrontiert, die einen dringenden Handlungsbedarf erfordert.
Fachkräftemangel braucht ganzheitliche Lösungen
Bereits heute führt der Mangel an Auszubildenden und Fachkräften durch stetig schrumpfende Schulentlassklassen und die hohen Verrentungswellen, auch getrieben durch die staatlich geförderte Verrentung mit 63 Jahren, zu einem massivem Fachkräftemangel. Diese klaffenden Leerstellen können nur noch mit Auszubildenden und Fachkräften aus dem Ausland gefüllt werden. Allerdings gestalten sich die dafür vorgesehenen Verfahren kompliziert, dauern sehr lange und führen unternehmerseitig häufig zu hoher Frustration. Die Welcome Center werden stärker nachgefragt denn je und unterstützen tatkräftig, stoßen aufgrund der steigenden Anfragen allerdings an ihre Grenzen. Damit die Sicherung des Fachkräftenachwuchses und die damit verbundene Gewinnung ausländischer Auszubildender und Fachkräfte langfristig funktionieren kann, bedarf es ganzheitlicher Lösungen, die einen reibungslosen Ablauf der Verfahren garantieren.
Was die Politik tun kann
- Duale Ausbildung stärken: Um die positive Entwicklung der gesteigerten Ausbildungsattraktivität auch in den kommenden Jahren zu verfestigen, muss die duale Ausbildung weiterhin zukunftsfest gestaltet werden. Eine systematische Berufsorientierung ist an dieser Stelle entscheidend, um junge Menschen über ihre beruflichen Möglichkeiten zu informieren. Politisch muss stärker dafür eingetreten werden, dass Ausbildungsberufe auch in die Berufsorientierungsmaßnahmen an Gymnasien und Gesamtschulen stärker einbezogen werden. Ein Automatismus von der allgemeinen Hochschulreife zum Hochschulstudium ist für die Wirtschaft in Rheinland-Pfalz nicht förderlich.
- Unterstützung der Welcome Center: Zur Unterstützung der Welcome Center ist ein systematischer Ausbau der Gewinnung und Rekrutierung ausländischer Fachkräfte vonnöten. Neben einem umfassenden Konzept, welches Rheinland-Pfalz als attraktiven Standort für Auszubildende und Fachkräfte im Ausland präsentiert und diese anwirbt, ist auch eine zentrale Hotline denkbar, die als erster Ansprechpartner für Fachkräfte aus dem Ausland fungiert und bspw. den Erstcheck derer Profile übernimmt. Mit dem Einrichten einer Serviceagentur für rheinland-pfälzische Arbeitgeber, welche die bürokratischen Prozesse bei der Rekrutierung aus dem Ausland vollständig übernimmt, könnte überdies eine große Entlastung der Unternehmen bei der Einstellung von Auszubildenden und Fachkräften aus dem Ausland geschaffen werden.
- Sprachbarriere senken: Das gesetzlich vorgeschriebene B1-Niveau für das Ausbildungsvisum ausländischer Auszubildender reicht in der Regel vor allem in der Berufsschule nicht aus. Ein erleichterter und flexiblerer Zugang zu (Intensiv-)Sprachkursen vor Beginn der Ausbildung wäre hilfreich, um ein den Anforderungen entsprechendes Sprachniveau sicherzustellen. Zur Förderung eines leichteren und unbeschwerten Einstiegs in das Ausbildungsverhältnis, sollten junge Menschen aus dem Ausland die Möglichkeit bekommen, vor Ausbildungsbeginn in Deutschland ein längeres Praktikum (z. B. bis zu 3 Monate) im Betrieb zu absolvieren. Damit könnten die Hürden für das Rekrutieren ausländischer Auszubildender gesenkt und gleichzeitig die langfristigen Erfolgschancen dieser Einstellungen gesteigert werden.
Was die IHKs tun
- Aktionsplan Fachkräfte: Die IHK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz unterstreicht ihren Anspruch, die Betriebe bei der Rekrutierung des Fachkräftebedarfs bestmöglich zu unterstützen und stellt ein umfangreiches Paket mit gezielten Beratungsangeboten für Unternehmen, Schülerinnen und Schüler, Eltern und Schulen bereit.
- Praktikumswoche: Rund um die Herbstferien (7.-31. Oktober) findet in Rheinland-Pfalz wieder die Praktikumswoche statt, die Schülerinnen und Schülern die Chance gibt, mit Tagespraktika verschiedene Ausbildungsberufe in unterschiedlichen Unternehmen ihrer Region kennenzulernen. Bei dem Landesprojekt in Zusammenarbeit mit den IHKs geht es darum, junge Menschen und Unternehmen zusammenzubringen. Teilnehme Betriebe können interessierte Jugendliche kennenlernen und damit den Kontakt zu potenziellen Auszubildenden aufnehmen: www.praktikumswoche.de
- Welcome Center: Die Welcome Center der vier rheinland-pfälzischen IHKs unterstützen internationale Fachkräfte bei der Einreise nach Rheinland-Pfalz und Unternehmen bei der Rekrutierung und Integration ausländischer Fachkräfte: https://make-it-in.rlp.de/arbeiten/welcome-center