Energiewende-Barometer 2025
Rheinland-Pfalz im Bundestrend: Verbesserte Gesamteinschätzung – Lage im Industriesektor weiterhin sehr angespannt.
- Konstant hohe Beteiligung an Umfrage zeigt: Energiewende bleibt zentrales Thema in den Unternehmen
- Energiekosten – nach wie vor ein Wettbewerbsnachteil
- Transformation unter Druck– Unternehmen fordern klare Signale
- Technologieperspektiven: Wasserstoff verliert, CCUS und Grüne Leitmärkte gewinnen an Bedeutung
- Versorgung sichern, Effizienz stärken
- Unternehmensstrategien in Zeiten der Energiewende: 2045 vorrangiges Klimaschutzziel – Industrie auf dem Weg zu neuen Ufern
Die Auswirkungen der Energiewende auf die Wettbewerbsfähigkeit der rheinland-pfälzischen Wirtschaft werden im Vergleich zum Vorjahr insgesamt positiver bewertet. Das zeigen die Ergebnisse des aktuellen IHK-Energiewende-Barometers 2025. Der Gesamtbarometerwert steigt über alle Branchen hinweg im Vorjahresvergleich von minus 21,6 auf minus 8,3 und tendiert näher zum neutralen Bereich. Im Gegensatz verharrt die Einschätzung der Industrieunternehmen weiterhin auf einem sehr bedenklichen Niveau: Das Barometer zeigt hier aktuell den Wert von minus 25,7 an (Vorjahr: -28,8).
Interessant: Rheinland-Pfalz liegt mit beiden Einschätzungen in diesem Jahr damit exakt auf den Werten, die auch auf Bundesebene ermittelt wurde.
Die scheinbar positive Gesamtentwicklung bedarf jedoch einer differenzierten Betrachtung. Variieren die rückgemeldeten Einschätzungen – je nach Energieintensität, Branche und Unternehmensgröße – mitunter doch stark. Wie der Mehr-Jahresvergleich zeigt, geht die Schere der Bedeutung der Energiewende hier für Industrie und Gesamtwirtschaft weiter auseinander.
Konstant hohe Beteiligung an Umfrage zeigt: Energiewende bleibt zentrales Thema in den Unternehmen
Erfreulich an der turnusmäßigen Umfrage in diesem Jahr ist, dass sich abermals mehr Unternehmen an der Umfrage beteiligt haben. Auf Bundesebene waren dies mehr als 3.600, davon 160 aus Rheinland-Pfalz (Vorjahr: knapp 3.300 auf Bundesebene und 145 aus Rheinland-Pfalz) Dies unterstreicht einmal mehr, dass die Energiewende sowohl operativ als auch strategisch weiterhin fest im wirtschaftlichen Alltag der Betriebe verankert ist. Besonders kleine und mittelständische Betriebe zeigen verstärkt Interesse. So ist in diesem Jahr der hohe Rücklauf aus der Dienstleistungsbranche besonders auffällig.
Dienstleistungsunternehmen sind oftmals weniger energieintensiv und vom Dilemma hoher Energiekosten betroffen als produzierende Großbetriebe und nehmen damit eine differenzierte Rolle in der Gesamtbetrachtung der Energiewende ein.
Der Effekt zusätzlicher Rückmeldungen aus weniger energieintensiven Unternehmen prägt den Gesamtbarometerwert daher naturgemäß etwas, kann aufgrund gegebener, sektoraler Auswertungsmöglichkeiten bei der Interpretation der Umfrageergebnisse jedoch selektiv berücksichtigt werden.
Energiekosten – nach wie vor ein Wettbewerbsnachteil
Die Belastung durch nennenswerte Energiepreise ist weiterhin spürbar. Über alle Branchen hinweg geben im Vorjahresvergleich konstant rund 40 Prozent der Unternehmen an, dass ihre Wettbewerbsfähigkeit durch hohe Energiekosten beeinträchtigt wird.
Befragt nach den Preiseffekten bei einzelnen Energieträgern melden rund die Hälfte der Unternehmen höhere Stromkosten im letzten Jahr zurück, lediglich bei jedem achten ist das Preisniveau gesunken – und ähnliche Entwicklungen zeigen sich unverändert auch bei Wärme und Transportenergie. Insbesondere im Hinblick auf die marktseitige Entwicklung der CO2-Bepreisung bzw. CO2-Vermeidungskosten dürfte der Kostendruck hier zukünftig weiter steigen.
Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund gewinnt die politische Forderung der gewerblichen Wirtschaft nach einer generellen Stromsteueranpassung auf das europäische Mindestniveau zusätzlich an Wichtigkeit und Dringlichkeit. Es ist hier dringend geboten, die Unternehmen im Land spürbar zu entlasten – auch, um die allgemeine Investitionszurückhaltung abzuwenden.
So zeigt sich laut der Erhebung zwar eine leichte Entspannung im Investitionsverhalten der Unternehmen – der Anteil der Unternehmen, die Investitionen aufgrund hoher Energiekosten zurückstellen, sinkt von 61 Prozent (2024) auf 52,9 Prozent (2025). Jedoch erfolgen Investitionen in Kernprozesse und Klimaschutzprojekte weiterhin vorsichtig und werden noch immer zurückgestellt (23,8 % und 19,9 %).
Transformation unter Druck– Unternehmen fordern klare Signale
Gefragt nach den wesentlichen Hemmnissen, welche die Umsetzung von betrieblichen Energiewende- und Klimazielen erschweren, nennt mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen im dritten Jahr in Folge unverändert dieselben Transformationshürden: An erster Stelle steht die überbordende Bürokratie (65 %), gefolgt von mangelnder Planbarkeit und Verlässlichkeit in der Energiepolitik (59,1 %) sowie langwierigen Genehmigungsverfahren (51 %). Mehrfachnennungen waren möglich. Auch diese strukturellen Hürden blockieren Investitionen maßgeblich und hemmen unnötig die klimaschutzbezogene Transformation in den Unternehmen.
Die politischen Erwartungen sind entsprechend klar formuliert: Fast 90 Prozent der Unternehmen fordern eine weitere Senkung der Stromabgaben – ein weiterer Anstieg gegenüber 2024 (79,6 Prozent).
Nahezu drei von vier Unternehmen betonen zudem, dass Energieeffizienzmaßnahmen nur auf gemeinsamer Basis von Wirtschaftlichkeit, Freiwilligkeit und Technologieoffenheit erfolgen und umgesetzt werden können.
Ein ähnliches Bild zeichnen die Antworten im Kontext der Eigenversorgung mit erneuerbaren Energien sowie der Bedeutung langfristiger Energielieferverträge (PPAs). Auch hier sind die Erwartungen weiterhin hoch: Über 80 Prozent der befragten Unternehmen sprechen sich für verlässliche rechtliche und planerische Rahmenbedingungen aus, um solche Modelle effektiv angehen und umsetzen zu können. Die aktuelle Praxis zeigt, dass sich bislang lediglich 23,4 Prozent der Unternehmen näher mit dem Abschluss von PPAs befasst haben. Knapp 60 Prozent haben Maßnahmen zum Aufbau eigener erneuerbarer Energieerzeugungskapazitäten umgesetzt oder geplant.
Ergänzend wird die Netzstabilität und die verlässliche Versorgung mit Energieträgern branchenübergreifend als bedeutender Standortfaktor gewertet. Etwaige Engpässe würden auch den Ausbau der Erneuerbaren Energien erschwerend hemmen und regionale Handlungsspiel-räume womöglich einschränken.
Technologieperspektiven: Wasserstoff verliert, CCUS und Grüne Leitmärkte gewinnen an Bedeutung
Lange als Hoffnungsträger der Energiewende gehandelt, verliert Wasserstoff gemäß den Rückmeldungen weiter an strategischer Bedeutung. Nur noch 40 Prozent – und damit erneut zehn Prozentpunkte weniger – sehen die planungssichere Bereitstellung von Wasserstoff als den zentralen Aspekt für die eigene Transformation an; 2024 waren es noch 51,3 Prozent, 2023 gar knapp 60 Prozent.
Dagegen rücken Carbon Capture, Utilization and Storage-Technologien (CCUS) zunehmend in den Vordergrund: Über 60 Prozent der Unternehmen sprechen sich dafür aus, dass diese Technologien ermöglicht werden müssen, um Energiewende und Klimaschutz sicher und bezahlbar umsetzen zu können.
Erstmals wurde bei der Befragung zum Energiewendebarometer auch die Einführung grüner Leitmärkte abgefragt: 36 Prozent der Unternehmen befürworten diese Idee, wobei die weitere Entwicklung abzuwarten bleibt. Die Etablierung solcher Märkte werden als möglicher Ansatz gesehen, um klimafreundliche Produkte auch in langfristig tragfähigen Geschäftsmodellen abbilden zu können.
Versorgung sichern, Effizienz stärken
Wie die Erhebung zeigt, ergreifen die Unternehmen operativ eigendynamisch nach wie vor vielfältige Maßnahmen zur Bewältigung des Energiepreisdilemmas. Energieeffizienz ist und bleibt der zentrale Hebel: Über 90 Prozent der Betriebe messen Einsparmaßnahmen hohe Priorität bei – entsprechend gefragt sind seit Jahren auch die diesbezüglichen, IHK-seitigen Angebote, wie Unterstützung bei Energieaudits, Beratungstools sowie dem Azubiqualifizierungsprojekt der IHK-Energiescouts. Viele der leicht umsetzbaren Effizienzmaßnahmen scheinen inzwischen jedoch ausgeschöpft, was sich am gesunkenen Verhältnis neuer Maßnahmenplanungen zu bereits durchgeführten Maßnahmen festmachen lässt: Nur noch ein Viertel der Unternehmen plant aktuell neue bzw. weitere Schritte; Rund 45 % der Unternehmen stehen diesbezüglich auf Standby, da sie bereits Maßnahmen realisiert oder gar nicht erst geplant haben. Dies wird der Bedeutung des Themas bei weitem nicht gerecht, sondern unterstreicht die Forderungen der Unternehmen nach verlässlichen und bezahlbaren wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen einmal mehr.
Unternehmensstrategien in Zeiten der Energiewende: 2045 vorrangiges Klimaschutzziel – Industrie auf dem Weg zu neuen Ufern
Angesichts der energiepolitischen und -wirtschaftlichen Veränderungen ergreifen Unternehmen zahlreiche Maßnahmen: Über 40 Prozent haben in diesem Kontext bereits neue Geschäftsfelder erschlossen oder befindet sich gerade in der Umsetzung bzw. in den Planungen. Knapp ein Drittel setzt sich mit Planungen zur Ausrichtung des eigenen Portfolios auf klimaschonende Produkte oder Dienstleistungen auseinander.
Zwei Drittel der Unternehmen mussten die Kostensteigerungen bereits an ihre Kunden weitergegeben oder planen einen solchen Schritt aktuell. Auch dies könnte die Inflationsraten weiter steigen und die Konsum- und Güternachfrage weiter sinken lassen.
Die Tendenzen zur Verlagerung von Kapazitäten ins Ausland erscheinen auf den ersten Blick insgesamt rückläufig zu sein: Über alle Branchen hinweg planen hier aktuell 81 % keine Maßnahmen. Dieses Ergebnis relativiert sich auf den zweiten Blick jedoch bei alleiniger Betrachtung der Rückmeldungen aus dem Bereich der Industrie: Denn nahezu 40 Prozent haben bereits entsprechende Verlagerungen umgesetzt, damit begonnen oder zumindest planvoll abgewogen. Ebenfalls hat die Erschließung neuer Auslandsmärkte an Bedeutung gewonnen – von 20 % in 2024 auf 26 % in diesem Jahr.
Einmal mehr werden die Unterschiede in der Handlungsorientierung der Unternehmen in Abhängigkeit des betrieblichen Energiekostendilemmas hier sehr deutlich. Während international aufgestellte und agierende Industrieunternehmen eine Verlagerung eher in Betracht ziehen bzw. ziehen können, reagieren standortgebundene Dienstleister und der stationäre Handel eher mit energiebezogenen Maßnahmen am hiesigen Standort. Hier bleibt die Entwicklung abzuwarten.
Befragt nach dem Zielkorridor der eigenen Klimaschutzstrategie antworten die meisten Unternehmen (56,6 %), Klimaneutralität gemäß des Bundesziels bis 2045 anzustreben. 26 Prozent aller Betriebe geben an, zu versuchen, bereits bis 2030 klimaneutral zu wirtschaften. Auch hier formulieren vor allem Dienstleistungsunternehmen ambitionierte Ziele, während die Industriebranche überwiegend auf eine längerfristig umsetzbare Roadmap setzen bzw. setzen müssen. Ungeachtet des final genannten Zeithorizonts unterstreichen die Rückmeldungen einmal mehr sehr deutlich das eigenmotivierte Streben der gewerblichen Wirtschaft, zum aktiven Klimaschutz beizutragen.
Der insgesamt von -21,6 auf -8,3 gestiegene Barometerwert ist daher auch als starkes Zeichen der Wirtschaft an die Politik zu deuten, den wirtschaftszugewandten Worten und Aussagen auch verlässliche, wirtschaftsförderliche Taten und Rahmenbedingungen folgen zu lassen.
Aus Rheinland-Pfalz haben 160 Unternehmen an der Befragung teilgenommen. Die Umfrage lief im Juni 2025.