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Auf dem Weg zum energieeffizienten Gewerbegebiet

„Konzeption und Umsetzung eines klimaneutralen Quartiers benötigen einen Kümmerer. Es gibt zwar Kümmerer für die Quartiersentwicklung, für die Stadtplanung oder für die Energieversorgung. Aber es gibt bislang keinen Kümmerer für klimaneutrale Gesamtkonzepte.“
Gerhard Stryi-Hipp, wissenschaftlicher Leiter EnStadt:Pfaff, Fraunhofer ISE, Freiburg

Warum Leitbilder und Kümmerer wichtig sind

Bei der Entwicklung von Gewerbegebieten bekommt eine energieeffizientere Gestaltung immer mehr Gewicht. Eine ganzheitliche Planung spielt dabei eine zentrale Rolle, wie Gerhard Stryi-Hipp erklärt. Er ist wissenschaftlicher Leiter des Projekts EnStadt:Pfaff. Das innenstadtnahe Gebiet in Kaiserslautern war rund 150 Jahre lang Standort für die Produktion von Nähmaschinen und wird gerade in ein Mischgebiet mit Flächen für Gewerbe, Büro, Dienstleistung, Wohnen, aber auch Forschung oder Kultur umgewandelt (siehe auch Absatz „Versiegelte Flächen als Herausforderung“ oben im Text).
An dem vom Bund geförderten Leuchtturmprojekt sind einschließlich der Stadt acht Partner von Unternehmen und Wissenschaft beteiligt. EnStadt:Pfaff versteht sich als Reallabor, in dem innovative Technologien und Lösungen demonstriert und mit den Menschen im Quartier getestet und optimiert werden.
Es reiche dabei nicht aus, einige Highlights umzusetzen. Vielmehr gehe es darum, vorhandene Technologien miteinander zu verbinden und daraus ein stimmiges Gesamtkonzept zu entwickeln. Stryi-Hipp rät bei der Entwicklung solch komplexer Gebiete, frühzeitig mit allen Akteuren ein Leitbild zu entwickeln. Das sei in diesem Fall sehr hilfreich gewesen. Zudem benötige man für die Umsetzung der Gesamtkonzepte klimaneutraler Quartiere auch einen übergeordneten „Kümmerer“.

Photovoltaik und vorab gepflanzte Bäume

Auf dem Gelände einer ehemaligen Bundeswehr-Kaserne in Trier entsteht derzeit das smarte und nachhaltige Gewerbequartier ParQ54. Dort ist die Stadt Bauherr und wird nach Fertigstellung selbst mehrere Parzellen beziehen. „Wir als Stadt wollten die Entwicklung selbst vorantreiben und bei den Entscheidungen das letzte Wort haben“, sagt Alexander Fisch, Projektleiter und stellvertretender Leiter des Amts für Wirtschaftsförderung der Stadt Trier.
Die Stadtwerke erstellten das Quartierkonzept, das die Themen Wärme, Mobilität, Strom und Digitalisierung ganzheitlich betrachtet. Unter anderem gehören dazu auch dort Photovoltaik-Module auf den Dächern in Kombination mit einer ganzflächigen Dachbegrünung. Eine Besonderheit ist zudem die Baumbepflanzung der Grundstücke vor der Vergabe an Unternehmen. So soll ein Bestand garantiert werden. Auf Rodung stehen Vertragsstrafen und die Verpflichtung zur Neupflanzung.
Unternehmen, die in das neue Areal einziehen wollen, sind verpflichtet, die dort durch innovative Rückgewinnung aus dem Abwasser erzeugte Wärme abzunehmen. Zudem müssen sie eine Reihe von Kriterien bei der Grundstücksvergabe erfüllen. Dazu gehören Energiestandards der Gebäude, Mitarbeiterangebote zur Reduzierung des Verkehrsaufkommens oder die Regenwasserbewirtschaftung.

Abwärme und Wasserstoff mit Potenzial

Das verheerende Jahrhunderthochwasser im Sommer 2021 hat mehr als 180 Menschen das Leben gekostet. Aber auch die wirtschaftlichen Schäden waren immens. In der Kupferstadt Stolberg in Nordrhein-Westfalen trafen die Fluten besonders energieintensive Industrieunternehmen massiv. Beim Wiederaufbau stellte sich dann die Frage, ob diese Unternehmen in Zeiten der Energiewende auf die bisherigen Technologien und fossile Energieträger setzen sollten, wie Raphael Jonas, Geschäftsführer Innovation, Umwelt und Standort IHK Aachen, erklärt.
Zunächst sei Wasserstoff als klimafreundlicher Energieträger ins Blickfeld gerückt. Allerdings erwies sich das nicht als unmittelbar umsetzbar, da der Aufbau eines Wasserstoffökosystems noch einige Zeit benötigen wird. Deswegen fokussiert man sich auf andere Schritte, treibt das Thema Wasserstoff aber weiter voran.
Im Mittelpunkt steht nun besonders die Nutzung der industriellen Abwärme in Fernwärmenetzen. Hier sieht Jonas ein riesiges Potenzial: Die energieintensiven Unternehmen in der Region produzierten so viel Abwärme, dass ganz Stolberg mit seinen rund 60.000 Einwohnern damit beheizt werden könnte. Bislang ging diese Abwärme noch ungenutzt in die Umwelt. Doch nun hat der örtliche Energieversorger ein Unternehmen beauftragt, einen Plan für ein entsprechendes Netz zu entwickeln.
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